Problem von Anonym - 22 Jahre

Zwischen Illusionen und unglaublich viel Schamgefühl

Hallo.

Ich hatte neulich (nicht ganz einen Monat her) die Realisation, dass ich krass verliebt bin (hat viel Reflektion gebraucht hups) und seitdem weiß ich gar nicht, wohin mit meinen Emotionen, vor allem, weil ich das Gefühl habe, dass ich nicht wirklich mit jemandem darüber reden kann.
Vielleicht beschreibe ich erstmal die Grundsituation. Ich bin jetzt 22 und war in meinem Leben noch nie wirklich verliebt, so wie jetzt zumindest noch nicht mal im Ansatz. Ich habe ihn (werde ihn im Folgenden X nennen) vor einem Jahr kennengelernt und wir haben uns zwar eher langsam, aber sehr eng angefreundet. Oh mann, ich könnte jetzt anfangen zu schwärmen, aber ich versuche mich kurz zu halten. Inzwischen würde ich X zweifellos als einen von meinen engsten Freund*innen bezeichnen und unsere Freundesgruppen überschneiden sich auch zu einem signifkanten Anteil. Das ist auch irgendwie einer der zwei Gründe dafür, wieso ich mich so fühle, als ob ich meine Gefühle nicht wirklich gut mit jemandem thematisieren kann - ich habe irgendwie das Bedürfnis, "alleine mit der Situation klarzukommen", weil es mir schon wichtig ist, dass die Atmosphäre innerhalb der ganzen Gruppe nicht angespannt oder seltsam wird, wenn ich es überhaupt jemandem erzähle. Der zweite Grund kommt aber später noch und ist eigentlich viel relevanter.
Mit ihm persönlich die Sache anzusprechen... ich weiß nicht, da fühle ich mich auch nicht bereit dazu. Ich würde zwar definitiv sagen, dass ich nicht emotional abhängig von X bin, da ich auch ein stabiles support system außerhalb unserer Freundschaft habe, aber mir ist die Freundschaft mit X schon so wichtig, dass ich schon irgendwie Unbehagen dabei hätte, die Sache offensiv anzugehen und mit ihm darüber zu reden, wiederum weil ich unsere Freundschaft dabei nicht riskieren will. Hier kommt ihr ins Spiel, ich muss die ganze Sache jetzt nämlich mal von meinem Herzen kriegen und mit jemandem darüber reden. (Vielen Dank für eure Arbeit an dieser Stelle)
Die Sache wird nämlich gleichzeitig noch komplizierter...?, weil ich mich nebenbei irgendwie in Illusionen verliere. Keine Ahnung, ob das 'normal' ist, wenn man verliebt ist - vielleicht fängt man da ja irgendwie immer an, auch auf Kleinigkeiten zu achten und die überzubewerten, ich habe einfach echt kaum Erfahrung mit dem Thema -, aber ich habe wirklich richtig oft das Gefühl, dass meine Gefühle nicht mal unerwidert sind. Und ich nenne das jetzt zwar trotzdem Illusionen, aber irgendwie drückt das Wort eigentlich nicht wirklich aus, wie ich mich fühle, weil ich - ganz ehrlich? - eigentlich nicht denke, dass ich mir tatsächlich Illusionen mache. Ich will hier leider echt ungern ins Detail gehen, weil meine Nachricht ja auch veröffentlicht werden würde etc., deswegen kann ich das nicht so gut beschreiben, aber ich sage jetzt mal so... es gibt schon Situationen, in denen es irgendwie einfach mega schwer ist, "nichts" reinzuinterpretieren. Und das macht es unglaublich schwer, über ihn hinweg zu kommen.

So jetzt fragt ihr euch vielleicht, wieso will ich über ihn hinwegkommen, wenn ich doch einfach mal mein Glück versuchen könnte, nach allem, was ich im vorherigen Absatz beschrieben habe. Hier kommt jetzt der Punkt ins Spiel, wegen dem ich mich so sehr für meinen Crush auf X und auch für die Art und Weise, wie ich unsere Interaktionen lese, schäme, dass ich ihn eigentlich gar nicht hier reinschreiben will. Aber das ist ja der eigentlich der relevanteste Fakt, und so sehr ich ihn in meinen Illusionen verdrängen kann, bleibt er halt einfach Realität: X ist (nach meinem Infostand) gerade in einer Beziehung.

Habe mir gerade meinen eigenen Satz nochmal durchgelesen, und vielleicht ist das, was ich da in Klammern eingefügt habe: "(nach meinem Infostand)", die eigentliche Illusion, die ich mir mache. Und auch gleichzeitig der zweite Grund dafür, dass ich meine Gefühle nicht so gut thematisieren kann: X hat mir vor einiger Zeit im Vertrauen erzählt, dass er schon seit längerem darüber nachdenkt, Schluss zu machen; dass er unglücklich in der Beziehung ist und dass es ihm insgesamt einfach ultra schlecht in seiner momentanen Situation geht. Dass er mir das erzählt hat, war, um transparent zu sein, vor meiner Realisation, dass ich irgendwie in ihn verliebt bin; aber irgendwie vielleicht auch nur ein Auslöser dafür, dass ich den Crush realisiert und zugelassen habe. Ich wünschte irgendwie, er hätte mir das nicht erzählt - so sehr ich sein Vertrauen in mich schätze. Aber da ich diese Info jetzt ja habe, fällt es mir einfach super schwer, mich nicht irgendwelchen Tagträumen und vielleicht-ja-doch-irgendwie-möglichen-Zukunftsszenarien, losgelöst vom status quo, hinzugeben. Und wenn ich bemerke, was ich gerade denke, fühle ich mich so ends schlecht. Hoffe ich da nicht eigentlich gerade darauf, dass eine Beziehung zu grunde geht? Wie kann man sowas denken? Vor allem hoffe ich ja irgendwie noch dazu darauf, dass ich davon profitieren werde?? Das will ich ja eigentlich gar nicht, wenn mein rationales Ich gerade Überhand hat. Mein Gott, ich fühle mich einfach miserabel, dass ich mich so meinen 'Illusionen' hingeb. Dazu kommt, dass ich über diesen Punkt ja tatsächlich mit niemandem reden kann - er hat mir die Info ja im Vertrauen gegeben, dass kann ich jetzt ja einfach unmöglich ansprechen, wenn ich mit anderen darüber reden sollte.

Ich weiß gar nicht, was meine eigentliche Frage ist. Ich glaube, ich weiß einfach nicht wirklich weiter und fühle mich einfach unglaublich schlecht dafür, dass ich nicht einfach aufhören kann, an ihn zu denken und meine eigenen Gefühle ausknipsen kann. :(

Lan Anwort von Lan

Liebe Ratsuchende,

danke, dass du uns dein Vertrauen schenkst und uns geschrieben hast.

Erst einmal lege ich dir ans Herz: Bitte verurteile dich nicht für deine Gefühle. Du kannst nichts dafür und du bist auch an nichts schuld. Du bist einfach verliebt, dagegen kann man nichts machen. Dafür brauchst du dich auch nicht zu schämen, im Gegenteil, es ist eine schöne Sache, so zu fühlen. Versuche das Gefühl anzunehmen und auch wertzuschätzen.

Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, denen so kleine Details auffallen und die diesen eine Bedeutung zuschreiben. Ich kann nicht beurteilen, inwiefern etwas dran ist oder nicht.

Solange du darüber nicht sprichst, es nicht ansprichst und ihm mitteilst, wie es auf dich wirkt, wirst du dich in diesen Interpretationen verlieren. Es mag eine Art Schutzmechanismus sein, die Konfrontation und Aussprache zu vermeiden. Aber auf lange Sicht quälst du dich damit und machst dich damit unglücklich. Ungewissheit ist mit das schlimmste. Wenn du aber weißt, woran du bist, kannst du damit arbeiten und umgehen. Aber so verlierst du dich in einem "Was-wäre-wenn" und da gibt es kein Ende.

Du beurteilst deine eigenen Gefühle, wertest sie ab, fühlst dich schlecht, weil du dir Hoffnungen machst. Aber das ist meiner Ansicht nach allzu menschlich. Klar, klingt es erst einmal nicht so toll, wenn man hofft, dass die Beziehung einer anderen Person zerbricht. Aber ne Trennung bedeutet nicht zwangsläufig etwas schlechtes, da gehören immer zwei Seiten dazu. Eine Trennung, so sie kommen wird, kann auch einen wunderbaren Neuanfang für deinen Crush bedeuten. Er löst sich von etwas, was ihn belastet, und wird frei für eine Beziehung, die ihn glücklicher macht. Als diejenige, die in ihn verliebt ist, ist es nur allzu verständlich, dass du darauf hoffst, weil es dann reale Chancen gibt, er wieder frei wäre. Sich Hoffnungen machen ist das eine. Aber es ist ja nicht so, dass du bewusst etwas aktiv tust, um die Beziehung zu zerstören. Das sind nur deine Gedanken, die nicht umgesetzt werden. Dafür solltest du dich meiner Ansicht nach nicht verurteilen. Gedanken sind frei, solange du niemandem damit schadest. Und momentan schadest du dir aber selbst am meisten, indem du dich dafür so hart kritisierst.

Frage dich mal, warum du dich so schlecht deswegen fühlst. Woher kommt dieses Schuldgefühl? Was steckt dahinter?
Du bist kein schlechter Mensch, nur weil du so denkst, du bist eben nur ein Mensch mit Gefühlen, die sein dürfen.

Ich finde es gut, dass du sein Vertrauen nicht missbrauchen willst. Aber ich glaube, dass es dir gut täte, wenn du dich jemandem anvertrauen würdest. Du entscheidest selbst, wie viel du dann preisgeben wirst. Und genau genommen hast du uns das ja auch verraten. Wenn du es jemandem erzählen würdest, der ihn nicht kennt, wäre das doch eigentlich kein Problem, oder was meinst du? Du tust das ja nicht, um ihm zu schaden, sondern um dir zu helfen. Ich denke, dass es dann total legitim wäre. Um dich zu entlasten und dir Hilfe zu suchen.

Du weißt vermutlich, was ich dir jetzt raten werde: Sei bitte ehrlich zu dir selbst und auch zu ihm. Wenn es dich so sehr quält, dann vertraue dich ihm an, offenbare ihm deine Gefühle und was das alles mit dir macht und was du denkst.

Das erfordert sehr viel Mut und Vertrauen in dich und in diese Freundschaft. Aber glaub mir, solange es zwischen euch steht, wird auch deine Freundschaft zu ihm beeinflussen und vielleicht nicht zum Positiven. Schaffe klare Verhältnisse und ergründe, inwiefern deine Illusionen vielleicht doch keine sind.

Es gibt da keinen richtigen Weg, du entscheidest, was am besten zu dir passt. Darum will ich noch auf weitere Möglichkeiten eingehen.

Eine andere Möglichkeit wäre, das langsamer anzugehen. Dass du es nicht direkt aussprichst, was du empfindest, sondern Situationen schaffst, in denen ihr euch näher kommen könnt und wo es auch in die romantische Richtung gehen kann. Du könntest auch Andeutungen machen, dass er ideal als Beziehungspartner ist oder du mal darüber redest, was du dir von einer Beziehung wünscht. Vielleicht kannst du ja mal versuchen, ihm körperlich näher zu kommen. Das bedeutet nicht, dass du ihn küssen musst, sondern vielleicht dich mal an ihn herankuschelst, bisschen länger als sonst umarmst, ihm länger in die Augen schaust oder ihn "zufällig" berührst. Und dann schaust du, wie er darauf reagiert, vielleicht auch positiv. Dann musst du dich emotional nicht zu sehr öffnen, kannst dich aber trotzdem auf diese Weise ihm annähern und schauen, was dabei rauskommt.

Oder du wartest eben ab, wie sich das Ganze bei ihm beziehungsmäßig entwickelt und schaust dann, wie du weitermachst.
Du kannst ja mal versuchen, die verschiedenen Szenarien durchzuspielen und zu schauen, was das mit dir macht und welche Folgen das haben könnte.

Ich habe dir noch ein wenig Lektüre verlinkt, die dir weiterhelfen kann:
https://www.parship.ch/ratgeber/suchen/verliebt-in-den-besten-freund/
https://www.beziehungsweise-magazin.de/ratgeber/liebe-emotion/verliebt-in-den-besten-freund/2/
https://www.helpster.de/verliebt-in-einen-freund-so-gehen-sie-damit-um_121245

Ich lege dir folgende Soforthilfe ans Herz, lies sie dir bitte durch:
https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/21/Verliebt-in-besten-Freund-beste-Freundin.html

Ich glaube ganz fest an dich, dass du das schaffen kannst und all deinen Mut zusammen nehmen wirst. Habe Mut und Vertrauen in dich, ich glaube an dich!

Viele liebe Grüße,
Lan