Problem von Nick - 25 Jahre

Sehnsucht nach Nähe und kuscheln mit bester Freundin

Hallo, mir liegt da etwas auf der Seele.
Ich bin männlich und seit einiger Zeit Single. Ich sehne mich extrem nach Nähe und Geborgenheit und Kuscheln.
Ich brauche Kuscheln und knuddeln wie die Luft zum atmen und ohne Körper Kontakt und Nähe, fühle ich mich auf Dauer sehr schlecht.
Ich habe eine beste Freundin, mit der ich ein sehr enges Verhältnis habe. Wir reden über alles und ich fühle mich bei ihr sehr geborgen.
Oft wäre ich ihr gerne nahe und würde die Geborgenheit bei ihr genießen.
Wenn wir zum Beispiel bei ihr oder mir sind, auf der Couch chillen und einen Film gucken, würde ich mich gerne einfach an sie kuscheln.
Einfach mal den Kopf auf ihre Schulter oder ihren Schoß legen, mich anlehnen oder den Arm um sie legen, oder mich in ihrer Arme legen. Und einfach mit ihr kuscheln, knuddeln und gehalten werden.
Ich trau mich aber nicht sie zu fragen, ich möchte sie nicht verschrecken.
Was ist wenn sie nicht so der kuscheltyp ist, oder wenn es falsch rüber kommt weil sie denken könnte, dass ich mich an sie rann machen will.
Ich hab sie sehr lieb, aber rein Freundschaftlich und es geht mir nicht um sexuelles Interesse. Es würde mir einfach unglaublich gut tun.
Wie soll ich meiner besten Freundin sagen, dass ich mich nach Nähe und Geborgenheit sehne und einfach gerne einfach so mit ihr kuscheln möchte?
Ganz ohne Hintergedanken und rein Freundschaftlich.
Und ist das vielleicht eine Grenzüberschreitung.
Wie soll ich da vorgehen und sie fragen?

Nuala Anwort von Nuala

Lieber Nick!

Ich möchte mich zunächst für meine späte Antwort entschuldigen. Ich wollte dir eigentlich schon so viel früher schreiben!

Dein Thema ist sehr brisant - ich würde sogar behaupten, es ist gesamtgesellschaftlich relevant. Wir alle brauchen Nähe in verschiedenen Ausprägungen. Hautkontakt ist sogar extrem wichtig für unser psychisches Wohlbefinden, was schon bei den Kleinsten beginnt.
Leider bekommen viele Menschen davon viel zu wenig ab (und dann kommt noch das individuelle Bedürfnis hinzu, das nochmal schwanken kann).
Du hast also ein sehr wesentliches Bedürfnis benannt. Ich bin mir sicher, dass ganz viele Leser:innen hier zustimmen können, dass sie ähnlich empfinden wie du, aber gleichzeitig diese Hemmungen vorhanden sind.
Auf der anderen Seite gibt es auf jeden Fall auch viele Menschen, die körperlich lieber auf Distanz bleiben bzw. deutlich weniger das Verlangen nach platonischer Körperlichkeit verspüren. Einige wollen das auch nur in einer Liebesbeziehung oder mit Sexualpartner:innen teilen, etc.
Daher kann ich auch nachvollziehen, dass du erst einmal stockst und dich fragst: Ist das okay, das zu wollen und wie kann ich das vermitteln, wenn es okay ist?!

Zuerst - ja, es ist okay, weil es ein zutiefst menschliches Bedürfnis ist. Ob ein Bedürfnis (oft) befriedigt werden kann, steht dann auf einem anderen Blatt. Aber als Erstes ist es anzuerkennen, dass du diesen Wunsch hast und es dir sehr viel bedeuten würde, ihn auszuleben.

Der Knackpunkt liegt eher darin begründet, passende Leute zu haben, mit denen dieses Bedürfnis kompatibel ist. Da kann es ja gravierende Unterschiede geben. Eventuell tust du gut daran, auch anderweitig zu gucken, mit wem du dich super verstehst und wo eine tiefere Bindung inklusive Körperkontakt aufgebaut werden könnte.
Wenn man von Anfang an klar markiert, was gesucht/gewünscht wird und wo die Grenzen liegen, kann das sehr gut klappen. Das wäre z.B. auch ein Tipp für Onlineplattformen, auf denen man ja sogar im Bereich Dating nach rein freundschaftlichen Kontakten suchen kann.

Das Nähe-Kuschelbedürfnis an sich hat mit einer Grenzüberschreitung nichts zutun. Es wäre nur dann kritisch, wenn du dich deiner besten Freundin ungefragt und ohne Vorwarnung sehr rasch nähern würdest, ohne ihr Nein zu respektieren (was Körpersprache mit einschließt!). Ich schätze dich allerdings kein bisschen so ein - ganz im Gegenteil, du scheinst sehr verunsichert zu sein. Und das wiederum ist auch nicht so dolle, weil es dich u.U. unnötig einschränkt und vielleicht sogar euer Wachstum als Freund:innenpaar ausbremsen könnte.
Es kommt allerdings sehr auf die Umstände an. Man muss nicht bei allen Sachen extra nachfragen, wenn man das Gefühl hat, dass es positive Signale des Gegenübers gibt. Sollte man dann doch falsch liegen, entschuldigt man sich eben. Um bei Unsicherheit selbstverständlich immer erst abklären, ob X und Y okay sind. Und immerhin reden wir hier über eine dir sehr vertraute Person und keine flüchtige Bekannte.
Dazu noch eine Anmerkung: Meiner Meinung nach laufen empathische bzw. aufmerksame Personen viel seltener Gefahr, übergriffig zu sein. Aber ganz ausschließen lässt es sich halt nie (weswegen von beiden Seiten Kommunikation so wesentlich ist. denn auch das Gegenüber sollte sagen oder zumindest nonverbal zeigen, wenn etwas unangenehm war. Niemand hat etwas davon, wenn etwas geheuchelt oder "ertragen" wird).

Und wie du selbst schon indirekt beschrieben hast: Reden ist der Schlüssel zur Lösung.
Ich kenne euch nicht und weiß nicht, wie ihr als "bestes Freundes-Paar" miteinander tickt.
- Ein bisschen habe ich mich tatsächlich gewundert, dass ihr so eng miteinander befreundet seid und du trotzdem (?) nicht einschätzen kannst, ob sie Körperkontakt mag und wenn ja, in welcher Form. Habt ihr denn noch keine Gespräch so generell darüber geführt? Vielleicht überlagert deine Scheu aber auch den ungetrübten Blick auf eurer Ausgangslage, auf euer Potenzial...

Was immer ganz gut hilft: Sich dem Thema/Wunsch vorerst allgemein anzunähern. So kannst du einschätzen, wie sie darauf reagiert. Man kann z.B. über Alltagsbeobachtungen sprechen und dann persönlicher werden, also von sich erzählen, etwas anschneiden, abwarten, weiter erzählen...
In eine ähnliche indirekte Richtung geht das Beobachten. Du erlebst deine beste Freundin sehr wahrscheinlich in verschiedenen soziale Kontexten, aus denen du Informationen ableiten kannst.
Allerdings denke ich, in einer besten Freundschaft sollte auch eine "direkte Ansage" möglich sein! So im Sinne von "Hey du, mich beschäftigt seit geraumer Weile folgendes Thema und ich würde gerne darüber sprechen...". ---> Was sollte denn dagegen sprechen? gerade WEIL ihr bestbefreundet seid, sollte der Raum für eine solche Offenbarung gegeben sein.
Vielleicht würde es dir auch helfen, diesen Text zu zeigen? immerhin hast du alles Wesentliche sehr schön ausformuliert und dadurch verständlich gemacht. Du könntest ihn auch als Vorlage nutzen, um einen Brief an deine Freundin zu schreiben.

Insgesamt vermute ich, dass sie nicht so der "kuschelige " Typ ist wie du, weil ihr das sonst schon recht schnell beieinander gemerkt hättet - da wäre sicherlich bald eine ganz eigene Dynamik aufgekommen (außer, sie hat exakt die gleichen Ängste wie du, wer weiß?!).
Stelle dich also vorsorglich darauf ein, dass sie ein anderes Bedürfnis hat als du. Nichtsdestotrotz kann es sein, dass sie sehr positiv reagiert und sich freut, eine solche Zuneigungsbekundung von dir zu erhalten. Möglicherweise könnt ihr dann einen Mittelweg finden, z.B. dass sie sagt, was für sie okay wäre und was nicht - ob z.B. "passives Bekuscheltwerden" grundsätzlich für sie schön wäre, also z.B. Anlehnen, am Arm streicheln, Umarmtwerden oder ob nur manche Verhaltensweisen in Ordnung wären. Eventuell würde sie sich sogar trauen, selbst aktiv mitzukuscheln (manche Personen sind sehr gehemmt aus ähnlichen Motiven heraus wie du und brauchen eine ausdrückliche Ermunterung).

Also: Nur Mut - Ehrlichkeit gewinnt. Vor allem zusammen mit Respekt und Wertschätzung. Dazu bist du ganz bestimmt in der Lage - und so könnt ihr gemeinsam einen gangbaren Weg für euch finden. Und lass' dir vom Verstand nicht mehr als nötig dazwischenfunken ;)

Sei lieb gegrüßt!
Nuala