Problem von Marlie - 24 Jahre

Sollte ich es ihr mitteilen?

Hey liebes Kummerkasten-Team :)

Ich bräuchte mal jemanden, der mir beim Gedankensortieren helfen kann. Erst mal kurz zu mir: Ich bin Anfang 20 und im letzten Jahr meiner Ausbildung. Natürlich haben wir neben der Praxis auch Berufsschule. Und wir haben echt tolle Lehrer! In eine Lehrerin habe ich mich nur (leider?) komplett verknallt.
Sie ist Anfang 30 (genau 10 Jahre älter als ich), Single und von einer Mitschülerin weiß ich, dass sie wohl auch auf Frauen steht.
Seit Anfang 2. Ausbildungsjahr bin nun in sie verliebt.
Ich habe bereits mit einer Freundin aus meiner Klasse darüber gesprochen und weiß, dass sie es nicht weitererzählen wird. Da vertraue ich ihr total. Trotzdem weiß ich nicht so recht, was ich tun soll?
Natürlich kann ich während der Ausbildungszeit nicht mit ihr zusammen sein, das ist mir klar.
Aber was denkt ihr? Ist es realistisch jemals mit ihr eine Beziehung führen zu können? Sollte ich ihr nach den Prüfungen meine Gefühle gestehen? Oder ist das peinlich und wahrscheinlich eh ein Schuss in den Ofen? Ich bin mir so unsicher. Wahrscheinlich sollte ich sie vergessen, oder? Aber ich würde mich später glaube auch drüber ärgern wenn ich es nicht versucht hätte.
Was kann ich tun?

Mit lieben Grüßen, Marlie

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Marlie,

sooo unrealistisch finde ich das gar nicht, zumal ihr beide erwachsen seid. Daher ein JA zu deiner Titelfrage -, denn ich bin sehr für die Wahrheit und gegen Verschweigen, wenn es keine wirklich gewichtigen Gründe für Schweigen gibt! Da die Sache im Detail komplizierter ist, jetzt eine genauere Analyse ;)

Bedeutsam finde ich es dennoch, wohlüberlegt und offen für alle Eventualitäten an die Sache heranzugehen. Denn erstens ist nicht gesagt, dass sie dich überhaupt interessant (genug) findet. Zweitens kann es sein, dass sie grundsätzlich nichts mit Schüler:innen, egal ob ehemalig oder nicht, anfangen möchte. Und drittens kann es sein, dass sie anderweitig gebunden ist bzw. keine weitere Beziehungen eingehen will. Oder dass sie glücklich solo ist und nicht gedenkt, daran etwas zu ändern (und wenn man verliebt ist, will man ja eher nicht die Person sein, die höchstens für etwas Lockeres in Betracht kommt...).

Es ist also alles unter Vorbehalt in dem Sinne, dass ein Für-sich-Behalten eventuell doch die bessere Option wäre, wenn es sich einfach so _anfühlt_.
Das muss ich vermutlich erklären: Also ich kenne das sehr gut aus eigener Erfahrung, dass ich verliebt war und dann entweder gespürt habe, dass es erwidert wird oder dass es zumindest nicht ausgeschlossen war. Dann habe ich konkrete Schritte zur Annäherung unternommen. Manchmal war es aber auch so, dass ich gemerkt habe, dass es nicht stimmig ist, also dass wir personell nicht zusammenpassen bzw. dass zwischenmenschlich (von den jeweiligen Lebenssituationen, etc.) zu wenig Übereinstimmung vorliegt. Dann habe ich die Verliebtheit "ausschleichen" lassen, was mit Geduld und der Bewusstheit, dass es vor allem mit Hormonen und Projektion zutun hat, durchaus funktionieren kann.
Natürlich kann es sich auch so anfühlen, als wäre es nicht gegenseitig und trotzdem möchtest du dich offenbaren. Das wäre vollkommen legitim (und eine positive Wende könnte es dann allemal geben!)

Gehen wir einmal davon aus, dass du erfühlst, dass du es ihr gerne sagen möchtest. Dann käme der Faktor Zeit mit ins Spiel, weil: Es kommt stark darauf an, den richtigen Zeitpunkt wählen - bzw. nicht einen völlig ungeeigneten Zeitpunkt bzw. Zeitraum. Und da du im letzten Ausbildungsjahr bist, scheinen wir uns einig zu sein, dass du erst nach Beendung deiner Ausbildung überhaupt offensiv werden solltest.
Das Abwarten hat folgende Vorteile:
- Deine Ausbildung ist in keiner Weise "gefährdet".
- Deine Lehrerin könnte entspannter mit dir umgehen, wenn du nicht mehr ihre Schülerin bist.
- Du hast mehr Zeit, um dir deiner Gefühle klar zu werden und mehr über sie und ihre Lebenssituation herauszufinden.
- Du würdest ggf. sogar schon während des Abwartens ein "Entlieben" feststellen - weil Verliebtheit flüchtig sein kann.

Was ich dir als "Fahrplan" rate:
1. Nimm dir die Zeit, deine Ausbildung vernünftig abzuschließen, also den Fokus auf das Lernen zu richten.
Mit etwas Disziplin kannst du dem Schwärmen in bestimmten Zeiten nachgehen, sodass deine Leistungen nicht beeinträchtigt werden.
2. Versuche beiläufig, sie auf harmlose Art näher kennenzulernen und eine persönlichere Beziehung bzw. Bindung anzubahnen. Das kann durch ein Anlächeln sein, durch eine Unterhaltung nach der Unterrichtsstunde, eine dezente Aufmerksamkeit, emotionale Offenheit, etc. So kannst du auch viel mehr erspüren, ob sie dich menschlich überhaupt in irgend einer Form spannend findet und es Sinn ergäbe, dann noch ein Geständnis zu machen.
3. Nach der Ausbildung hast du mehr Möglichkeiten. Du kannst entweder offensiv sein, was natürlich auch zu einer direkteren Abfuhr führen könnte. Doch das Leben ist immer wieder Schmerz - genauso wie Glück. Wer etwas wagt, kann gewinnen!
Du kannst dich aber auch langsamer an sie herantasten und sie einfach zu einem Cafébesuch, Kino, Spaziergang o.ä. einladen. Sollte sie nämlich darauf so gar nicht eingehen, würde ich ehrlich gesagt auch von einem Geständnis absehen.

Noch etwas zum Thema Peinlichkeitsempfinden/Scham: Vielleicht liegt es daran, dass ich viele Jahre älter bin als du und schon einige Körbe kassiert bzw. scheinbar "peinliche" Momente durchlebt habe. Ich möchte dir einfach mitgeben, dass unser Leben zu kostbar ist, als uns tolle Chancen und Möglichkeiten entgehen zu lassen. Das Problem vieler Menschen ist nicht, dass sie dauernd etwas wagen und darin scheitern. Sondern dass sie aus Angst in dem bekannten Elend verharren und so Weiterentwicklung verpassen.

So, ich hoffe, ich konnte dir mit meinen Überlegungen weiterhelfen.

Ich wünsche dir alles Liebe!
Nuala