Problem von Ole - 20 Jahre

Komm nicht mehr klar

Moin,
muss leider sehr weit ausholen, wird daher nen längerer Text, tut mir leid.

habe September 2017 angefangen zu studieren, aber bin nach ein paar Monaten kaum noch in Vorlesungen gegangen, da ich angefangen habe sehr viel zu kiffen. Ab Frühjahr 2018 ging es mir dann immer schlechter. Hab mit nem Kollegen immer mehr gekifft und getrunken und sind nicht mehr zur HS gegangen. Meine Eltern habe ich, was das bestehen von Klausuren angeht angelogen. Mein schlechtes Gewissen wurde immer größer, hab keinen Cent selber bezahlt fürs Studium.
Zu der Zeit konnte ich kaum noch schlafen, hab nur sehr unregelmäßig gegessen und jeden Tag so viel gekifft das ich nichts mehr gemerkt habe.
Irgendwann kamen dann die Suizid Gedanken dazu, habe mich täglich extrem viel mit dem Thema auseinandergesetzt, konnte es aber nie durchziehen.
Meinem Umfeld ist es dann ab 2019 auch langsam aufgefallen, dass es mir nicht so gut geht. Wenn ich nichts zu kiffen hatte und nicht schlafen konnte bin ich rausgegangen und hab mir die Hände an Bäumen kaputt geschlagen , hab bis heute noch Narben davon.
Die ganze Zeit bin ich auch noch Auto gefahren. Einmal war ich bei meinem Kollegen wir ham Speed gezogen, ich war über 48h wach und habe literweise Bier getrunken und viele joints geraucht. Wollte irgendwann nachhause, bin dann zum Auto und musste da kotzen aber gefahren bin ich noch. Allgemein fahr ich bis heute noch in fast jedem Zustand Auto, weiß nicht warum ich schäme mich dafür.

Das Studium hab ich erst Ende Juni 19 abgebrochen. Bin wieder zu meinen Eltern gezogen und hab mir Arbeit gesucht - für ordentliche Ausbildung war leider zu spät . Den ganzen Juli hab ich nicht gekifft. Ab 01.08 dann angefangen zu arbeiten, 1 Jahr im Lager zur Überbrückung. Sehr entspannt, korrekte Kollegen.
Bin halt quasi seitdem ich 18 bin hängengeblieben. Das Studium hat mich eigentlich sehr interessiert und ich werde mich in 20 Jahren noch ärgern das ich es nicht ernst genommen habe, mir ist erst im Nachhinein klar geworden was ich da verspielt habe. Trauer dem ganzen jetzt sehr nach.

So im August habe ich dann wieder angefangen zu kiffen und als erstes Gehalt da war hab ich fast 500€ für koks und weed ausgegeben, richtiges Absturz Wochenende geschoben und was am schlimmsten ist Montag auf der Arbeit die ganze Zeit weiter lines gezogen.
Es gibt nur noch zwei Zustände, entweder bin ich extrem depressiv oder sehr aggressiv. Letztens wär ein Streit mit meinem Vater fast in einer Schlägerei geendet, die wissen auch das ich Probleme habe aber ich sag halt nicht was los ist.
Ausbildung für nächstes Jahr such ich mir auch nicht hab einfach kein Bock. Es ist in den letzten 1,5 Jahren kein Tag vergangen an dem ich nicht an Suizid gedacht habe ich kann nicht mehr. Bin süchtig , Studium verhauen, kein Verhältnis mehr zur Familie ich hab nichts wofür es sich lohnt weiterzumachen.
Ich bin so einsam geworden habe angefangen alles und jeden zu hassen und hab keine Ahnung wie da rauskommen soll.
Die letzten Tage habe ich von Drogen geträumt, weil ich Pause mach – das doch krank.
Hab bald mehr Angst weiterzuleben als zu sterben.

Nuala Anwort von Nuala

Lieber Ole!

Ich merke, dass dein Leidensdruck sehr hoch ist. Beim Lesen deiner Zeilen entsteht bei mir der Eindruck, dass du dich sehr hoffnungslos fühlst. Ich möchte dir daher Zuspruch aussprechen, weil ich davon überzeugt bin, dass du einen Neustart schaffen kannst.

Zunächst würde ich dir zu einem Termin in einer Drogenberatungsstelle raten. Dort sind die Mitarbeiter:innen darauf spezialisiert, Menschen nach und nach zu helfen, wieder Fuß zu fassen.

Bei dir hat sich viel angehäuft. Du fühlst dich z.B. umso schlechter, je mehr du durch den Drogenkonsum nicht mehr bewerkstelligen kannst. Es geht hier also nicht nur um die Behandlung deiner Sucht, sondern auch um psychotherapeutischen Beistand, den ich dir ebenfalls sehr ans Herz lege.
Für akute Situationen, in denen du an Selbstmord denkst bzw. es dir derart elend geht, dass du nicht mehr ein - noch aus weißt, sind Psychiatrien ein wichtiger Anlaufpunkt. Dort kannst du dich selbst einweisen lassen. Es gibt auch spezielle Suchtkliniken. Dort wird dann nicht "nur" an der Sucht gearbeitet, sondern quasi noch weiter ausgeholt. Es kann hier um allgemeine Themen wie Organisation der täglichen Anforderungen gehen, aber auch Dinge, die richtig tief gehen und z.T. in die Kindheit zurückreichen.

Neben diesen sehr effektiven Wegen wäre es super, wenn du dich deinen Eltern und auch noch Freund:innen komplett offenbaren könntest. Je ehrlicher du bist, umso mehr können sie dich verstehen und das Ausmaß deiner Schwierigkeiten erkennen. So können sie dir viel besser beistehen - sowohl seelisch, als auch unterstützend (z.B. durch Begleitung in die Drogenberatungsstelle, Arztpraxis, Klinik). Dabei wirst du dich auch deutlich erleichterter fühlen können, weil es extrem anstrengend ist, wichtige Bestandteile der eigenen Person und des aktuellen Alltags zu verschweigen. Und natürlich hilft das ungefilterte Reden sehr, sich seelisch zu entlasten und neue Gedanken fließen zu lassen.

Mache dir bitte bewusst: Es ist keine Schande, aktiv nach Hilfe zu rufen, sondern das Beste, was du unternehmen kannst! Das ist dann wahre Stärke, sich so zu zeigen, wie man gerade ist. Ohne Masken und Ausflüchte.

Ich möchte dir außerdem Mut machen, fest an dich zu glauben! Das Leben bietet so manche scheinbare Sackgasse, die sich aber als wahre Fundgrube für Weiterentwicklung entpuppen kann. Du fühlst dich gerade schwach, schlecht, nutzlos. Doch du kannst dein Problem als Wink des Schicksals auffassen, das dir zu einem neuen Leben verhelfen kann. Du stehst jetzt vor grundlegenden Veränderungsmöglichkeiten. Wenn du also deinen Tiefpunkt nicht mehr länger als Sackgasse wahrnimmst, sondern als Herausforderung, die du bewältigen können wirst, hast du schon die erste Kraft gesammelt. Und so kannst du dich an deinem eigenen Schopf packen und gemeinsam mit den Händen anderer Menschen aus dem Schlamm ziehen. Das haben viele geschafft und du wirst es auch schaffen, wenn du fest an dich und an das Wunder des Lebens glaubst.

Du kannst dein Studium eines Tages weiterführen oder eine passende Ausbildung beginnen - es gibt so viele Möglichkeiten, die du dann ausschöpfen kannst. Gerade soll es eben nicht sein. Jetzt geht es um deine psychische und physische Gesundung. Die haben klar Vorrang. Doch du kannst dir schon jetzt die schöne Perspektive aufzeigen, dass du als festes Ziel weiter studieren bzw. dich ausbilden lassen möchtest. Oder etwas anderes tun, sofern sich das im Laufe der Zeit herauskristallisieren sollte. Egal was - Hauptsache du bist erfüllt, gesund und in dir ruhend. Genau das wünsche ich dir sehr.

Ich sende dir alles Liebe, viel Mut und Zuversicht!
Nuala